D
ie Liste der Klarinetten-Verehrer
ist lang
und einer der ersten ist
zugleich einer der berühmtesten.
„Ach, wenn wir nur clarinetti hätten! -
sie glauben nicht was eine Sinfonie mit
Hauten, oboen und clarinetten einen herr-
lichen Effect macht!“, schrieb Wolfgang
Amadeus Mozart seinem Vater nach
Salzburg, nachdem er 1778 die Kapelle
des Mannheimer Hofes gehört hatte. Es
war das erste Mal, dass Mozart mit dem
noch relativ jungen Instrument in Be-
rührung kam. Seine Begeisterung sollte
bis zuletzt anhalten: Kurz vor seinem Tod
schrieb er noch sein berühmtes Konzert
in A-Dur.
In der Romantik wurde die Klarinette
endgültig zum Lieblingsblasinstrument
der Komponisten: Carl Maria von We-
ber schrieb eine Reihe von Konzerten für
die Klarinette, Johannes Brahms schuf
Sonaten und Kammermusik für das In-
strument. Andere Bläser können von
solch hochkarätiger Literatur nur träu-
men. Doch nicht nur in der klassischen
Musik ist die Klarinette beliebt. Von den
ersten Bands in New Orleans an gehörte
sie zu den führenden Melodieinstru-
menten des Jazz. Bis sie durch Benny
Goodman so sehr zum Markenzeichen
des Swing wurde, dass sie für die zu-
künftige Entwicklung des Jazz (fast) ge-
storben war: Wer eine jazzende Klari-
nette hörte, fühlte sich fortan an Swing
erinnert. Nachfolgenden Generationen
von stilbildenden Jazzmusikern war das
gar nicht recht, schließlich wollte man
Neues schaffen und sich vom Alten ab-
heben.
GroßerTonumfang
Was macht dieses Instrument so inte-
ressant für Jazz und Klassik, für Volks-
musik und Folklore? Die Antwort liegt
in den großen klanglichen Ausdrucks-
möglichkeiten. Von allen Blasinstru-
menten verfügt die Klarinette über den
größten Tonumfang: vom kleinen e bis
zum viergestrichenen c””. Zudem lässt
sie sich am leisesten spielen - dann sinkt
der Schallleistungspegel auf einen Wert
von 65 Dezibel (dB), was einem leise ge-
führten Gespräch gleichkommt. Darü-
ber hinaus ist das Instrument zu einem
Forte in der Lage, das nur noch von
Blechbläsern übertroffen wird: Im For-
tissimo liegt die Schallleistung bei 97 dB,
in den hohen Registern sogar bei 106 dB.
Ein Presslufthammer kommt auf einen
Wert von 110 dB. Kaum ein anderes
Instrument verfügt über eine ähnlich
große dynamische Bandbreite.
Hinzu kommt ein extrem weicher Ein-
schwingvorgang: Bis zu 50 Millisekun-
den kann es dauern, bis alle Obertöne ei-
nes Klarinettenklangs zum Schwingen
kommen. Bei der Oboe dauert das Ein-
schwingen des Klangs 20 bis 40 Millise-
kunden, der Ansatz des Tones ist des-
halb direkter und spitzer. Unter den
Blas-instrumenten kann sich nur die
Klarinette gleichsam aus dem Nichts in
einen Ton „hineinschleichen“.
Veränderung der Klangfarbe
Die Wirkung von Piano und Forte wird
bei der Klarinette zusätzlich verstärkt
durch die Veränderung der Klangfarbe in
den verschiedenen Dynamikstufen. Beim
Forte in der Mittellage etwa klingen die
Teiltöne im Bereich von 5000 Hz beson-
ders intensiv, was einer sehr hellen Vo-
kalfarbe „i“ entspricht. Der hohe Ober-
tonanteil führt zu besonderer Brillanz und
Schärfe. Im Piano wird der Klang dage-
gen weich, die Intensität der Teilton-
gruppen ist wieder stärker ausgeglichen.
Wer die verschiedenen Register der
Klarinette vergleicht, trifft auf ganz un-
terschiedliche Klangfarben, die sich in un-
n Mundstück
□ Birne/Fass
□ Oberstück
F l Unterstück
□ Trichter/Schallbecher
terschiedlichen Klang-
spektren
abzeichnen.
Besonders in der unte-
ren Oktave bis zum ein-
gestrichenen
d’
wird
hörbar, dass der Klang
der Klarinette besonders
von den ungeradzahli-
gen - also den dritten,
fünften, siebten usw. -
Teiltönen der Oberton-
reihe geprägt ist. Der
Klang ist dunkel und
hohl, die Wirkung ist
düster und geheimnis-
voll. In der Mittellage
von es’ bis g” ist die In-
tensität von geradzahli-
gen und ungeradzahli-
gen Teiltönen ausgegli-
chen, weshalb die Klari-
Das Klangspektrum einer Klarinette ändert sich jeweils im tiefen (Grafik oben:
Ton e), mittleren und hohen Bereich (Grafik unten: Ton as"). Im tiefen Bereich
sind die ungeradzahligen Teiltone (hohe Schallpegelspitzen) gegenüber den
geradzahligen Teiltönen (niedrige Spitzen dazwischen) deutlich stärker, wes-
halb der Klarinettenklang in dieser Lage hohl und dunkel ist. In der hohen Lage
sind
bei dominierendem Grundton (erster Teilton) - die geraden Teiltöne da-
gegen ausgeprägter, so dass der Klang voll und rund wird
g>
0)
Q.
«j
£
cd
>
Œ
0)
0
500
1000
2000
3000
Hz
5000
Frequenz
3/2012 STEREO 37
Grafik: J. Meyer: Akustik und musikalische Auflührungspraxis